Die Zuversicht des Zaunkönigs

Er ist wieder da – obwohl ich kurz dachte, es sei eine Maus, die da über den Holzstapel huscht. Das passierte mir letztes Jahr übrigens auch.

Ja – er ist es – mein geliebter kleiner Gartenfreund, der Zaunkönig. Kleiner Kerl ganz groß. Er rennt und springt, als gäbe es kein Morgen. Rein in den Holzstapel, auf der anderen Seite wieder raus, dann quer rüber fliegen zum nächsten Busch, auch dort ganz geschäftig unterwegs, dann wieder eine weitere Station erkunden – putzig und hektisch zugleich.

Seit ich weiß, dass der Zaunkönig mehrere Nistmöglichkeiten vorbereitet, die er dann seiner Angebeteten zur Auswahl anbietet, habe ich noch mehr Hochachtung vor dem Winzling mit der Riesenstimme.
Die Kirsch- und Apfelbäume, die im Herbst stark zurückgeschnitten wurden, treiben unverdrossen wieder aus und strecken ihre Knospen der Sonne entgegen.
Die Amseln machen Frühjahrsputz in den Nestern vom vorigen Jahr, und der Buntspecht probiert auch dieses Jahr wieder sein Glück am Schornstein.
Der Maulwurf schenkt uns bereits seit zwei Wochen wieder täglich frische Erde und die Wiese bereitet sich auf den Rasenmäher vor.
Ich bin immer wieder sprachlos angesichts der unbändigen Kraft, die uns die Natur im Frühling in Gestalt der Tier- und Pflanzenwelt darbietet.

Mit welcher Motivation ist dieses ganze System eigentlich unterwegs?
Ist es die Macht der Gewohnheit?
Der Mut der Verzweiflung?
Wirklich „nur“ purer Instinkt?
Welche unkaputtbare Superkraft ist da am Werk?
Und was können wir als Menschen daraus für Schlüsse für uns selbst ziehen?
Zu diesem Beitrag hat mich Angela Carstensen mit ihrer
Blogparade zum Thema „Zuversicht“
inspiriert, die sie Ende Februar gestartet hat.
Vielleicht möchtest Du ja auch einen Beitrag dazu schreiben?
Bis 31. März läuft die Blogparade noch.
Ein kurzer Recherche-Blick auf das Wort „Zuversicht“ fördert eine schier unerschöpfliche Menge an Material zutage.
Besonders darüber, wie man Zuversicht erlangen, stärken, erlernen, trainieren kann, warum wir sie brauchen, was sie von Optimismus und Hoffnung unterscheidet und woher der Begriff eigentlich stammt.

Hier und heute darf es jetzt jedoch um meine ganz persönliche, individuelle Sicht auf die Zuversicht gehen.
Und die beginnt für mich immer mit einem Blick auf die sprachliche Herkunft:
Aus dem Wiktionary:
mittelhochdeutsch zuoversiht, althochdeutsch zuofirsiht 
„ehrfurchtsvolles Aufschauen, Hoffen“,
belegt seit der Zeit um das Jahr 1000.
=> der feste Glaube daran, dass etwas Positives geschehen wird.
Mich fasziniert die Kombination der zwei Wort-Bestandteile ZU und SICHT.
Als ob wir mit der Kompetenz der Zuversicht in die ZUKUNFT SEHEN könnten.

Vielleicht können wir das ja tatsächlich?
Können wir sehen, dass in der Zukunft Positives geschehen wird?

Ein vermessener Gedanke –
erleben wir doch täglich, ja stündlich, dass nicht nur Positives geschieht –
und das kann unmöglich an fehlender Zuversicht liegen …

Bin ich ein zuversichtlicher Mensch? Ja – meistens.

Obwohl ich die Augen nicht vor der Realität verschließe – nicht vor dem, was mir selbst in meinem Leben begegnet ist – und auch nicht vor dem, was um mich herum oder in weiterer Entfernung geschieht.
Ist Zuversicht ein Gefühl?
eine Entscheidung? eine Erfahrung?
Was lässt uns, was lässt mich zuversichtlich sein?
Und wofür ist das eigentlich gut?
Wir Menschen können uns frei entscheiden, mit Zuversicht oder Verzweiflung auf das zu schauen, was vor uns liegt.
Verzweiflung ist ein Gefühl, das uns lähmt, das – nach vorne gerichtet – keinen Nutzen für uns hat. Dennoch real und nicht weg diskutierbar.
Zuversicht andererseits hilft – beim Aufbau, beim Mobilisieren von Kräften, beim Motivieren; damit können wir tatsächlich etwas schaffen – nämlich das, was wir in der Zukunft sehen (wollen) – womit wir wieder beim Wort-Stamm sind.
Unterstützung auch durch ungewöhnliche Vorbilder
Meine Inspiration und mein Vorbild ist die Natur. Die Erfahrung, dass es immer wieder weitergeht zeigen mir die Vorbilder rund um mich herum.

Zunächst einmal die Natur:
Das große Ganze, der Masterplan, die Faszination wie alles ineinander greift – wenn wir Menschen nicht zu sehr daran herumschrauben.
Wie die Kirschbäume und Zaunkönige „funktionieren“ – mit welcher Lebenslust und -kraft sie uns inspirieren – wenn wir hinschauen und hinhören.


Und dann die Menschen:
Die Zuversicht, mit der Kinder auf einer Schaukel immer höher angeschubst werden wollen, weil sie ganz fest darauf vertrauen, dass es noch schöner im Bauch bitzelt und dass sie immer wieder gut aufgefangen sind.

Die Zuversicht eines Brautpaars, sich auf den gemeinsamen Lebensweg einzulassen, die Zuversicht werdender Eltern, dass ihr Kind in dieser Welt gut aufwachsen kann.
Rosarote Watte-Welt? Traum-Szenario? Nö – es ist die Kraft des „trotzdem“.
Denn in der Verzweiflung oder im Jammern stecken zu bleiben ist keine Lösung!
 
Gegenseitige Inspiration, Impulse geben, sich stützen, ermuntern, ermutigen – das hilft meiner Zuversicht zu wachsen und zu überleben.
Alleine ist Zuversicht nicht auf hohem Level dauerhaft durchzuhalten.
Zauberkraft des Trotzdem
Nochmal zur „SICHT“ auf oder in die Zukunft: wenn das, was ich mir für die Zukunft erhoffe oder erwarte, für mich schon (fast) sichtbar ist – weil ich es mir so gut vorstellen kann, wünschen kann, ausmalen kann – dann entwickelt sich in mir eine Zauberkraft, die tatsächlich kleine Berge versetzen kann.

Ich glaube, das entspricht der Zuversicht des Zaunkönigs. Der ist überzeugt, dass es sich lohnt, viele Nistplätze vorzubereiten. Der Baum verwendet seine ganze Kraft in den Austrieb der Blätter, die Entwicklung der Blüten – weil er darauf vertraut, dass Bienen zur Bestäubung kommen werden und Menschen zum Pflücken, dass genug Regen fallen wird und kein Unwetter alles zerstören wird.

Und falls doch – dann beginnt TROTZDEM im nächsten Jahr der Kreislauf von vorne.
Die Kraft des „trotzdem“ – wichtiger Bestandteil auch meiner ZUVERSICHT.
Frühlingsblüte
Wenn Dir meine Gedanken ein Lächeln ins Gesicht zaubern
oder eine Inspiration daraus wächst,
dann gib mir doch einen virtuellen Cappuccino aus.
Bis wir uns mal live treffen – dann zahle ich den Kaffee!

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4 Kommentare zu „Die Zuversicht des Zaunkönigs“

  1. Liebe Lydia,
    wie wunderbar Du die Zuversicht beschrieben hast. Vielen Dank für Deine guten Gedanken, mit denen ich sehr gut mitgehen kann.
    Die Natur und das LEBEN selbst ist unser großer Lehrmeister/in. Ich übe mich mein Leben lang ihre Weisheiten zu übersetzen und zu verinnerlichen.
    Auch bei uns ist immer mal wieder ein Zaunkönig zu Gast und prüft neue Nistmöglichkeiten. Wie ein Blitz fliegt er vorbei. Würde ich sein aufgestelltes Schwänzchen nicht kennen, wäre er für mich immer noch ein Wesen aus einer anderen Welt.

    1. Liebe Margaretha,
      Vor meinem geistigen Auge fliegt gerade dauernd ein Zaunkönig hin und her – und – ja – jetzt sehe ich auch sein aufgestelltes Schwänzchen.
      Das war mir noch gar nicht als Erkennungsmerkmal aufgefallen, weil ich ihn meistens sitzend und laufend sah.
      Danke!
      Das LEBEN ist der Lehrmeister an sich – Du fasst es wundervoll zusammen mit diesem Satz.
      Ich antworte auf die Frage nach dem Sinn meines Lebens mittlerweile übrigens auch genau mit diesem Wort / Satz:
      Der Sinn meines Lebens ist es, zu LEBEN. Punkt. Ausrufezeichen.

  2. Liebe Lydia, du hast so recht, wir können von der Natur so viel lernen, wenn wir nur aufmerksam hinsehen. Und vor allem auch im ganz Kleinen. Ich liebe es, dass du deinen Blogpost am Zaunkönig aufgehängt hast 😀 Und auch dein Ansatz, das Wort Zuversicht erstmal etymologisch abzuklopfen spricht mir aus dem Herzen 😉 Ich habe meinen eigenen Beitrag noch nicht geschrieben, aber da wird es auch um das Paradoxe gehen, das du das Trotzdem genannt hast. Vielen lieben Dank für diesen Beitrag!
    Angela

    1. Liebe Angela – das Wort TROTZDEM begegnet mir gerade ganz häufig – vielleicht ist das genau die Energie des Aufbruchs, die wir gerade benötigen und die uns die Natur im Frühling so wunderbar vor Augen führt.
      Ich bin sehr gespannt auf Deinen Beitrag zur Zuversicht – und wie Due mit dem Paradoxen umgehst ….

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