An der Haustür

Mein Sohn will mir seine neue Wohnung zeigen und hat mich zum Essen eingeladen.
Ich habe Vorfreude im Herz – und im Korb Brot und Salz und ein Tee-Service als Einweihungsgeschenk.
Als ich klingle und sich die Tür öffnet, rieche ich es.
Dieser verführerische Duft – Curry, Kokos, Reis – ich liebe diese grandiose Zusammenstellung.
Ich bin sicher, da wird auch viel Gemüse drin sein.

Während mir die neue Wohnung gezeigt wird, fällt mir das Zuhören etwas schwer.
Die Gedanken schweifen ab, erinnern sich an andere Orte, wo ich Curry gegessen habe.
Weiter weg, länger her.
Singapur, Hongkong, Malaysia, Sri Lanka … schöne Bilder steigen in mir auf. 

Einige dieser Länder haben wir gemeinsam bereist, mein Sohn und ich.
Schnell kommen wir ins Erzählen darüber – und ganz oft geht es dabei auch ums Essen.
Wir erinnern uns an die Garküchen, die landestypische Zubereitung, die Schärfe – und den Duft, der durch die Food Courts waberte, der uns anlockte und uns noch immer vertraut in der Nase steckt.

Wir schweifen ab, kommen auf andere Düfte, landen bei Vanilleplantagen und Tortilla-Bäckereien in Mexico und gegrillten Sardinen oder Pasteis de Nata in Portugal. 

Mittlerweile sitzen wir am Tisch und stellen fest, dass der Geschmack des Currys zum guten Duft passt. Es ist vorzüglich gelungen.

Inzwischen ist unser Gespräch bei den Kindheitserinnerungen meines Sohnes angekommen.
Bei Plätzchenduft, frischem Zwetschenkuchen und den ganz besonderen grünen Bohnen, die seine Oma für ihn zubereitete.
Unschlagbar und von mir nie erreicht.

All das kann in einem Duft stecken.
Glückliche Erinnerungen – über Generationen und Jahrzehnte hinweg.

Mir fallen noch die Lieblingsblumen meiner Mutter ein – Freesien – intensiv duftend.
Ja – die sind nicht zum Verzehr geeignet.
Aber ein Lächeln habe ich auch beim Gedanken an diese zarten Blumen, die in keinem Geburtstagsstrauß fehlen durften, im Gesicht.

Duftende Erinnerungen können Lächeln hervor zaubern.