Auf dem Feld

Hochsommer 1966:
Ich habe Sommerferien und wir sind bei meiner Oma in Klostermansfeld zu Besuch. Es ist heiß und ich bin wie jeden Tag mit den Nachbarskindern verabredet. Wir treffen uns am Gartentürchen und laufen gemeinsam zum Getreidefeld ganz in der Nähe – am Bahndamm. Zu sechst sind wir heute.

Flüsternd erzählen mir die Kinder aus dem Ort, dass sie auf dem Feld Hamster suchen wollen.
Ich habe noch nie einen richtigen Feldhamster gesehen.
Am Rand des Feldes haben bis vor kurzem noch blut-roter Klatschmohn, leuchtend blaue Kornblumen und weiße Margeriten geblüht – gestern wurden sie abgemäht – zusammen mit dem Roggen, der hier gewachsen ist.

Das Feld ist jetzt voller Stoppeln, die wie Stacheln aus dem Boden hervorstechen, und es ist ein bisschen mühsam, darauf zu laufen. Gleichmäßig sind Getreidegarben zum Trocknen aufgestellt. Immer fünf Garben sind oben zusammengebunden – wie zu einer kleinen Hütte.
In einer davon wollen wir uns verstecken, sagen die anderen.

Mensch, ist das spannend! Und bestimmt nicht wirklich erlaubt, denke ich mir.
Aber ich bin ja hier nur das Besuchskind – ich mache ja nur mit.
Und außerdem bin ich hier, in der DDR, sowieso nur das „Westkind“.
Das reicht schon zum Auffallen – noch mehr Aufmerksamkeit möchte ich nicht –
ich will einfach mitmachen können, einfach dazugehören.
Also frage ich lieber nicht viel.

Was wir in der Getreide-Hütte tatsächlich gemacht haben?
Ganz ehrlich – ich weiß es nicht mehr.
Vielleicht haben die Großen dort heimlich geraucht –

beim Gedanken daran, wie gefährlich das war, erschrecke ich heute noch.

Ob wir einen Hamster gesehen haben?
Auch das weiß ich nicht mehr.
Aber Spinnen waren dort und alles war staubig, weil die Ackererde so trocken und aufgewühlt war, und die Stoppeln und Stroh-Halme haben gepiekt. Das weiß ich noch ganz genau.


Für mich als Stadtkind war das alles fremd und nicht wirklich angenehm.
Und ich hatte die ganze Zeit Angst, dass wir entdeckt würden –

und vor dem, was dann mit uns passieren würde.
Es war tooootaaaal aufregend!

Als ich nach ein paar Stunden heimkomme, bin ich ungewöhnlich schweigsam.
Mir ist klar, dass nicht alles erlaubt war, was wir gerade erlebt haben.
Aber um nichts in der Welt werde ich davon erzählen und die anderen verraten!

Meine Oma umarmt mich zur Begrüßung –
und zieht mir eine kleine Ähre aus dem Haar,
die ich wohl übersehen habe, als ich mich vor der Tür rasch gesäubert habe.
Sie schaut mich an – ich glaube, bis tief in mein Herz kann sie sehen –
nickt ganz leicht, lächelt, und sagt
geh Dir mal die Hände waschen – gleich gibt es Essen.“

Eine Ähre, ein wissendes und verzeihendes Lächeln –
eine wunderbare Erinnerung

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