Am Küchentisch

Vor mir steht die Kiste mit den Familienunterlagen, die ich beim Ausräumen der Wohnung meiner Mutter vor sechs Jahren mitgenommen habe. Fotoalben von früher, Geburtsurkunden, Arbeitsbücher, Meldescheine, Todesanzeigen, das Poesiealbum meiner Mutter – und alte Briefe.

Wie gut, dass ich in der Schule noch die altdeutsche Schrift gelernt habe und auch heute noch ziemlich flüssig lesen kann.
Dieser Brief mit dem grünen Band hat es mir besonders angetan.
Da hat jemand kleine Löcher ins Briefpapier geschnitten und ein grünes Satinband durchgezogen.
Ganz festlich sieht der Brief aus.

Er stammt von meiner Ur-Oma Johanna und ist ein selbst gedichteter Glückwunsch an ihre drei Enkel, die alle im selben Monat, nämlich im Januar, Geburtstag haben (1920, 1923 und 1927 geboren).

Der Brief ist wohl 1929 oder 1930 geschrieben – und voller Liebe.
Hier ein Auszug (in original Sprache):

An meine lieben Enkelkinder zu ihren Geburtstagen

Nun liebe Kinder, seid ihr recht munter?
in diesem Monat alle drei

ihr doch euren Geburtstag feiert unter
Musik und Wein dabei.

Das kleine Paket enthält nützliche Sachen, doch fehlt es auch nicht an Süßigkeit,
damit ihr könnt helle lachen, wenn ihr die Schokolade holt herbei.
…

Nun wünschen wir euch zum Geburtstags-Feste
– von ganzem Herzen das Allerbeste,

dass ihr alle groß werdet, eurer Eltern Freude.
– das wünscht euch Onkel Karl, Tante Luzie und die Oma heute

So schrieb man also vor knapp 100 Jahren Briefe an Enkel.

Ich bin sicher, dass meine Mutter und ihre Geschwister sehr viel Freude an diesem Geburtstagsbrief- und Päckchen von ihrer Oma hatten –
und ganz bestimmt auch gelächelt haben beim Vorlesen und beim Auspacken.

Nachrichten von Oma können uns zum Lächeln bringen!