Schon als kleines Mädchen hatte ich ein buntes und fantasiegeprägtes Innenleben. Oft verträumt und voller Scheu liebte ich mehr die stillen Wiesen und Wälder als die laute Schulklasse. Unentwegt dachte ich mir abenteuerliche Geschichten aus, aber nur selten brachte ich eine davon aufs Papier. Eine kritische innere Stimme empfahl mir stets, ja nicht aufzufallen.
Das Lesen hingegen war meine Lieblingsbeschäftigung. Liebesromane, Krimis, Biografien und anspruchsvolle Literatur – kein Schmöker war mir je zu dick. Jede freie Minute verschlang ich Geschichten, versank darin und fühlte mich bald wie ein Teil derselben. Die inneren Bilder, die dabei entstanden, nährten meine Fantasie, welche heimlich und sanft in mir schlummerte. Sie drang wie ein betörendes Parfüm in jede stille Ecke meines Bewusstseins. Aber ich hatte nicht den Mut, sie nach außen zu zeigen.
Murales in einem kleinen Ort in den Marchen
Mit Mitte zwanzig spürte ich das erste Mal den Wunsch, das Handwerk des Schreibens zu erlernen. Ich wollte selbst Geschichten in die Welt bringen, die die Leser tief berührten und in den Bann zogen. Kurz entschlossen forderte ich das Angebot einer Schreibschule an. Als der Postbote den Umschlag brachte, verlor ich keine Zeit und öffnete ihn hastig. Alle Einkäufe blieben in den Tüten in einer Ecke liegen. Atemlos beugte ich mich über den farbigen Katalog.
Regensburg
Nach ein paar Minuten breitete sich herbe Enttäuschung in mir aus. Zwar war die Auswahl der Kurse vom Feinsten, von der Romanwerkstatt über Biografien hin zu Sachbüchern. Doch die Preise lagen weit über meinen finanziellen Möglichkeiten. Da ich als Single allein für Miete und Verpflegung aufkam, war der monatliche Spielraum für kostenpflichtige Hobbys extrem gering. Auf eine Gehaltserhöhung zu hoffen und den Kurs mit Schulden zu finanzieren kam nicht infrage. Schweren Herzens verschob ich meine Träume und schriftstellerischen Pläne.
Mit Ende zwanzig empfand ich Deutschland eher nüchtern und beengend. Ein paar abenteuerliche Venedig-Ausflüge mit einer Freundin hatten eine unwiderstehliche Sehnsucht in mir entfacht. Schnell stand sie fest, meine Wahlheimat der nächsten Jahre, denn Italien war perfekt. Die zauberhaften Landschaften und die lebenslustige Mentalität seiner Einwohner hatten mein Herz im Sturm erobert. Nach wenigen Wochen Sprachstudium packte ich die Koffer. Mit meinem blauen VW Polo ging es ab in Richtung Süden.
Aus der geplanten kurzen Auslandstätigkeit wurden 23 Jahre. Ich habe es niemals bereut. Mein Leben in dem kleinen Thermalkurort inmitten der grünen Berge im Apennin war faszinierend. An der Rezeption kannten wir keine Langweile. Eine Menge lustiger Situationen im Hotelalltag kitzelten in mir die Schreiblust. Oft stand ich kurz davor, meinen Traum zu verwirklichen. Der Plan, die Geschichten zu sammeln und anderen Menschen nahezubringen, reifte in mir.
Da gab es zum Beispiel jenen Anreisetag, an dem circa 500 Hotelgäste wegen eines Stromausfalles an der Rezeption Schlange standen. Der EDV-Spezialist war auf dem Weg zu uns und wir durften bis zu seinem Eintreffen niemanden einchecken. Unwillige und verärgerte Stimmen füllten die Hotelhalle. Mein jetziger Mann und damaliger Kollege begann, ein lustiges Volkslied zu singen. Die Menschen in der Halle schauten erst verdutzt, dann stimmten sie freudig mit ein. Das Eis war gebrochen, der Tag und unser Leben gerettet:)
Die Geschichten lagen bei mir nicht nur auf der Straße, sondern vielmehr am Hoteltresen. Sie zwinkerten mir zu und lockten mich, sie endlich aufzuschreiben. Aber es fehlte mir an Zeit und Mut, ihrer Einladung zu folgen. Diese beiden wichtigen Elemente sollten mir erst später geschenkt werden.
Als ich Ende 2019 mit meinem Mann zurück nach Deutschland zog, erwartete mich ein neuer fordernder Vollzeitjob. Erst eine längere Krankengeschichte, die mir Zeit zum Nachdenken bescherte, brachte den vergessenen Traum zurück in mein Bewusstsein. In mir brannte die Sehnsucht, tiefer in die Welt des Schreibens einzutauchen.
Engelskulptur am Perlsee
Im Herbst dieses Jahres nahm ich endlich meinen ganzen Mut zusammen und meldete mich für den Lehrgang kreatives Schreiben an. Der Bann ist gebrochen. Je mehr Texte und Geschichten ich in die Welt bringe, desto intensiver spüre ich, dass ich diese Liebe leben und weitergeben will. Meine Geschichten sollen den Lesern Licht und Freude schenken. Wenn ich schreibe, dann versinkt die ganze Welt um mich herum. Mein Ideen-Rucksack ist bunt und vollgepackt – das lang erträumte Schreibabenteuer meines Lebens hat begonnen.
der Ideen-Rucksack ist gepackt, die Reise ins Schreibabenteuer beginnt
Blogtext mit viel Liebe und Fantasie erstellt von Anita Sterr alle Bilder stammen ebenfalls von der Autorin
Eine gute Schreib-Reise wünsche ich der Autorin – und uns noch ganz viele zauberhafte Texte zum Lesen!
Gastbeitrag von Anita Sterr: Grübelnd sitze ich vor der Tastatur. Mir fehlt ein stimmiger Schlusssatz; da gleitet mein Blick zu der freundlich lächelnden Engelin mit dem silbernen Krönchen.
Zweiter Gastbeitrag von Anita Sterr: Im Grenzwald aus den Kindertagen ist endlich auch der Čerchov zugänglich. Freiheit ist sichtbar und spürbar. Und es wird klar, woher das Lebensmotiv der grenzenlosen Gemeinschaft rührt.
Der erste Gastbeitrag von Anita Sterr: Wolken und Gedanken haben vieles gemeinsam. Verzaubert vom Blick in den Himmel können auch die Gedanken spielen.